Textatelier
BLOG vom: 14.04.2014

Hotel geschlossen, gebuchte Übernachtung ignoriert

Autorin: Rita Lorenzetti, Zürich-Altstetten
 
Zwei Tage vor der Abreise träumte ich einen Traum, den ich erst später verstanden habe. Da befand ich mich in einem öffentlichen Raum. Vielleicht war es im Untergeschoss eines Bahnhofs oder einer grossen Tiefgarage. Menschen eilten hin und her, alle ihren persönlichen Zielen entgegen. In der Mitte dieses Orts lag ein entspannt schlafender Mann. Seine Beine hatte er locker angezogen. Niemand beachtete ihn. Nur ich schien ihn wahrzunehmen.
 
Da unsere Reise an den Gardasee bevorstand, wurde ich etwas unruhig. Ich fragte mich, ob uns auf der Reise etwas Ungewöhnliches bevorstehe. Ein Unfall? Hoffentlich nicht. Da sich das Traumbild markant gezeigt hatte, beruhigte es mich. Der Mann sah nicht aus wie ein Toter.
 
Primo und ich hatten uns für die Frühlingsfahrt eines Reiseanbieters aus dem Kanton St. Gallen entschieden. Um für die frühe Abreise um 7 Uhr morgens ausserhalb der Stadt St. Gallen bereit zu sein, entschlossen wir uns, einen Tag vorher anzureisen. Das Reisebüro buchte für uns eine geeignete Übernachtung.
 
Als wir dort eintrafen, war das Hotel geschlossen. Auf einer schwarzen Restaurant-Tafel wurde auf Wirteferien aufmerksam gemacht und eine Natel-Nummer angegeben. Es antwortete jedoch nur die Combox. Ohne eigenes Natel unterwegs, waren wir auf hilfsbereite Mitmenschen angewiesen. In der Bäckerei im Nachbarhaus durften wir telefonieren und das Reisebüro informieren. Und im dazu gehörigen kleinen Café auf jenen Mann aus der Hotelierfamilie warten, der uns das Haus öffnete, das Geld für die Übernachtung einzog und uns den Hausschlüssel für eine Nacht übergab. Wir hörten von ihm, dass man spontan entschieden habe, vor der Ostersaison noch etwas auszuspannen. Der Vater oder Patron war also in den Ferien und schlief wohl genau zum Zeitpunkt, als wir anrufen wollten. Rechnete er damit, dass wir anderswo ein Bett bekämen? Am Schlüsselbrett im Hotel hing aber eine Notiz mit unserem Namen und der vorgesehenen Zimmernummer.
 
Die Situation entsprach dem schlafenden Mann im Traum, der weder beachtet noch gestört wurde. Diese Geschichte ­– so dachte ich schon, als sie noch nicht zu Ende war – sei unangenehm, gebe aber immerhin Stoff für einen Beitrag ins Blogatelier her. Und sie zeigt auf, dass wir gewissen Erfahrungen nicht ausweichen können, dass sie vorgegeben sind.
 
Am nächsten Morgen sorgte die Filialleiterin in der Bäckerei nochmals für uns. Wir konnten schon nach 6 Uhr in ihrem Geschäft frühstücken. Sie erzählte, dass sie am gestrigen Abend noch oft an uns gedacht habe. Sie war sehr besorgt, dass es uns an nichts fehle und schenkte uns beim Abschied noch eine Packung Champagner-Truffés. Diese bringen Glück! sagte sie dazu. Erstaunlich, denn Hotel und Bäckerei sind eigenständige Betriebe. Sie handelte nicht, um sich im Namen eines Vorgesetzten zu entschuldigen. Sie half uns aus Mitgefühl. Und ihre Wünsche brachten uns wirklich Glück.
 
Sobald wir unseren Platz im Reisebus eingenommen hatten, lief alles wie am Schnürchen. Der Chauffeur nannte die Route unserer gemeinsamen Fahrt: St. Gallen – Rorschach- Bludenz – Arlberg – Landeck – Mals – Vinschgau – Meran – Kalterersee – Trento – Etschtal – Rovereto – Gardasee und das Ziel: San Felice del Benaco. Er nannte die Ankunftszeit, sofern uns kein Stau an einer flüssigen Fahrt hindere. Sogar mit 2 Minuten Vorsprung waren wir dann abends am Ziel.
 
 
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